Was GVZ attraktiv macht

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Apr 23, 2022
Viele GVZ-Standorte bieten heute die Möglichkeit, mit kurzem Vor- und Nachlauf intermodal zu arbeiten.
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Steffen Nestler und Thomas Nobel

Geschäftsführer DDG
Dieser Artikel ist zuerst erschienen in der DVZ
In der Theorie sind die Vorteile von Güterverkehrszentren unbestritten. Wie aber sieht es in der Praxis aus? Wir haben bei der Dachgesellschaft DGG nachgefragt, ob und wie sich die gängigen Argumente „pro GVZ“ für die Ansiedler tatsächlich auszahlen. Die Geschäftsführer Steffen Nestler und Thomas Nobel mussten nicht lange überlegen.

Arbeitsteiligkeit und Outsourcingtendenzen in Industrie und Handel erfordern moderne und innovative Logistikstrukturen, die sich in idealer Weise in einem GVZ etablieren lassen.
Das GVZ Berlin West in der Gemeinde Wustermark gilt als ein wichtiges Logistikcluster für die Einzelhandelsversorgung in Deutschland. Das dort ansässige Drogerieunternehmen dm wurde für sein Logistikkonzept „Integrativ- Intelligent-Automatisiert“ im Jahr 2020 mit dem renommierten BVL-Logistikpreis ausgezeichnet. Mit der Automatisierungstechnik hat dm nachhaltige Logistikprozesse geschaffen, die von der Anlieferung durch die Industriepartner über die Prozesse im Verteilzentrum bis in die dm-Märkte hinein wirken. Jede dritte Filiale erhält aus dem Verteilzentrum im GVZ filialindividuell bepackte Paletten, die bestmöglich ihrem Laufweg beim Einräumen der Ware entsprechen. Mit 16,2 Hektar Ansiedlungsfläche gehört dm zu den stärksten Investoren im dortigen GVZ, die sich bewusst für die makrologistischen Vorteile eines GVZ-Standorts entschieden haben.

Güterverkehrszentren bieten insbesondere mittelständischen Unternehmen die Chance, in Kooperation mit Partnern den Marktanforderungen gerecht zu werden.
Das Projekt „Urban-BRE elektromobile Citylogistik in Bremen“ (www.urban-bre.de) ist ein gutes Beispiel für die Kooperation von Unternehmen in Güterverkehrszentren. Partner sind in diesem Fall Hellmann Worldwide Logistics, BHS Spedition und Logistik GmbH sowie die Rytle GmbH. Ausgehend vom GVZ Bremen wird seit Herbst 2019 die Bremer Innenstadt mit Hilfe von elektrisch angetriebenen Lastenfahrrädern über die Zwischenstufe eines Mikrohubs beliefert. Ziel ist es, die Anzahl an Lieferfahrzeugen und Stopps zu reduzieren. Das System erlaubt den Transport von KEPund Speditionssendungen. Das Beispiel zeigt, dass die räumliche Nähe der Unternehmen in einem GVZ nachweislich zu Agglomerationsgewinnen führt.

Die Option alternativer Transportarten erhöht die unternehmerische Flexibilität und sichert nachhaltig die Qualität logistischer Dienstleistungen.
Vor allem die ortsansässige Papierindustrie (UPM Nordland Papier) nutzt die intermodalen Transportoptionen per Schiene und Wasserstraße des GVZ Emsland. Cellulose beispielsweise wird überwiegend per Binnenschiff aus den Westhäfen und Eemshaven importiert. Gleiches gilt für die Papierexporte, die zusätzlich über die bremischen Häfen abgewickelt werden. Der Export des Papiers gen Südeuropa wird des Weiteren zum Beispiel per Schiene über Ludwigshafen durchgeführt.

Durch kooperativen Einkauf und Ressourcenpools werden für die beteiligten Unternehmen direkte Kosteneinsparungen erzielt.
Der kooperative Einkauf und gemeinsam genutzte Ressourcen zählen zur DNA des GVZ-Gedankens in Deutschland. Die Erfahrungen zeigen aber, dass dies in der Realität nur in Einzelfällen kontinuierlich praktiziert wird. Dazu zählt auch das GVZ Bremen. Dort wurde beispielsweise in den 1990er Jahren ein Rahmenvertrag mit dem ortsansässigen Energieversorger geschlossen, der zu erheblichen Einsparungen für die GVZ-Unternehmen führte. Ein weiterer „Klassiker“ der Ressourcenpoolung ist der Verzicht auf eigene Betriebstankstellen – stattdessen wird ein entsprechender Servicepark im Kernbereich des GVZ genutzt. Es gibt einen Winterreinigungsdienst, der zentral durch die GVZ-Entwicklungsgesellschaft organisiert wird. Lagerkapazitäten werden temporär zur Verfügung gestellt, Spezialstapler und ähnliches Equipment gemeinsam genutzt. Und GVZ-Unternehmen tauschen sich bei der Ausbildung in Logistikberufen intensiv aus.

Durch kompetente Betreuung und Hilfe bei der Entwicklung neuer Produktideen unterstützt das GVZ-Management die angesiedelten Unternehmen.
Dass im GVZ Wilhelmshaven eine Multi-User-Halle für Logistikunternehmen entstanden ist, geht unter anderem auf den Impuls und das Engagement der Managementgesellschaft des GVZ zurück. Unter dem Projektnamen „Atlantic One“ wurde der Bau durch das im GVZ engagierte Unternehmen Peper & Söhne Projekt GmbH alleinverantwortlich realisiert. Ziel war und ist es, Flächen im GVZ für Unternehmen zu schaffen, die einen flexibel nutzbaren Logistikstandort auch mit kleineren Lagerflächen in direkter Hafennähe suchen. Mittlerweile ist das „Atlantic One“ komplett belegt. Die gut 10 Meter hohe Multi-User-Halle bietet eine Fläche von 12.400 Quadratmetern.

Optionen für Erweiterungen und/oder Flächen für logistische Großansiedlungen
Die anhaltende Nachfrage nach großen Ansiedlungsflächen stellt viele GVZ-Entwickler vor große Herausforderungen. Knappe Flächen in Ballungsräumen wie dem Großraum Berlin lassen aber auch weitere Standorte in den Fokus rücken – solche wie das GVZ Frankfurt (Oder). Nicht erst seit Bekanntwerden der Tesla-Ansiedlung engagiert sich der Logistikimmobilienentwickler Alcaro auf einem 37 Hektar großen Areal des Mehrstandort- GVZ mit direkter Autobahnanbindung, basierend auf den positiven Erfahrungen mit dem „LogPlaza“ im GVZ Großbeeren. Zweifellos wird die Inbetriebnahme der Tesla-Gigafactory weiteren Rückenwind für das Vorhaben an der polnischen Grenze bringen. Von der Entwicklung Brandenburgs zur Automobilregion wird auch das trimodale GVZ Schönefelder Kreuz in Königs Wusterhausen profitieren. Es ist bereits in das Netz des Kombioperateurs Metrans eingebunden und erschließt aktuell etwa 6 Hektar Flächenreserven für weitere Ansiedlungen.

GVZ Dresden
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GVZ als Schnittstellen der Verkehrsträger bieten optimale Bedingungen für das Etablieren intermodaler Transportketten.
Der Gesamtnutzen eines einzelnen GVZ kann nur bedingt isoliert betrachtet werden, sondern erhöht sich mit der Zahl weiterer GVZ-Standorte, die auf verschiedenen Ebenen miteinander kooperieren. Hohe Planungs- und Rechtssicherheit für GVZ bieten ein Arbeits- Unternehmen kräftepotenzial für die Logistikbranche. Die GVZ-Standorte sind gut im Markt des Kombinierten Verkehrs etabliert und weisen meist Umschlaganlagen mit einer hohen Kapazität auf. So arbeitet im GVZ Hafen Nürnberg eines der exponiertesten Hubs im Kombinierten Verkehr Deutschlands, das von einer Vielzahl von Operateuren im Seehafenhinterland- und kontinentalen Verkehr genutzt wird. Das KV-Terminal im GVZ Herne hat sich zu einem Drehkreuz für europäische Trailerverkehre entwickelt und schafft gerade neue Abstellflächen. Das City-GVZ Berlin (Behala) ver- und entsorgt innenstadtnahe Standorte auf Schiene und Wasserstraße. Und die LIT Speditions GmbH und die Captrain Deutschland GmbH versorgen über das Gemeinschaftsunternehmen Smartrail Logistics das Emder Werk von Volkswagen per Bahn mit Fahrzeugteilen. Hierfür werden die zuvor auf der Straße transportierten Mengen von Lieferanten aus Nordtschechien, Südpolen, Sachsen und Thüringen im GVZ Dresden gesammelt. Das Konzept wollen die Partner auch auf anderen Relationen und als offene Züge für mehrere Kunden anbieten.

GVZ bieten ein Arbeits- Unternehmen kräftepotenzial für die Logistikbranche.
Gleich an mehreren GVZ-Standorten hat die konzentrierte Ansiedlung logistikintensiver Unternehmen beispielsweise aus der Automobil- und Zulieferindustrie sowie des Onlinehandels dazu geführt, dass das Angebot im öffentlichen Nahverkehr deutlich verbessert wurde. Dies gelingt zum einen durch die Anpassung der Fahrpläne an die Schichtzeiten sowie durch Shuttlebusse zu nahegelegenen Regionalbahnhöfen. Beispiele hierfür sind die GVZ Standorte Berlin-Süd/Großbeeren, Bremen, Erfurt und Leipzig. Eine gute ÖPNV-Anbindung ermöglicht es den Unternehmen in den üblicherweise in der Peripherie gelegenen GVZ, Arbeitskräfte ohne eigenen Pkw oder auch für Teilzeitarbeit zu gewinnen.

Der Gesamtnutzen eines einzelnen GVZ kann nur bedingt isoliert betrachtet werden, sondern erhöht sich mit der Zahl weiterer GVZ-Standorte, die auf verschiedenen Ebenen miteinander kooperieren.
Dieser Effekt stellt sich insbesondere dann ein, wenn jüngere GVZ-Standorte von Erfahrungen und geschäftlichen Potenzialen der etablierten Güterverkehrszentren profitieren. Ein Beispiel hierfür ist das GVZ Wilhelmshaven: Der Standort im Jade-Weser-Port nutzt gezielt das GVZ-Netzwerk zur Etablierung neuer KV-Relationen und zur Gewinnung weiterer Ansiedler. Dazu gibt es beispielsweise die Veranstaltungsreihe „Hafen trifft Festland“ und weitere bilaterale Aktivitäten mit GVZ im Hinterland. Haben sich Logistiker in mehreren GVZ-Standorten angesiedelt, können sie sogar von einem indirekten Vernetzungseffekt für ihre Niederlassungen profitieren, weil Kombioperateure die Standorte in ihre Netze einbinden.

Hohe Planungs- und Rechtssicherheit für Unternehmen
Zwischen Coevorden und Emlichheim liegt das 350 Hektar umfassende GVZ Europark direkt auf der deutsch-niederländischen Grenze. Es spiegelt wider, wie GVZ-Management auch unter komplexeren Bedingungen zum Vorteil der angesiedelten Unternehmen funktioniert. Auch wenn es teilweise erhebliche Unterschiede bei den Rahmenbedingungen und nicht zuletzt bei den Grundstückspreisen gibt, ist es in den zurückliegenden Jahren gelungen, die jeweiligen Standortvorteile für die Ansiedlung logistikaffiner Unternehmen auf beiden Seiten der Grenze zu nutzen. Die Förderkulisse hat sich inzwischen geändert. Dennoch können Unternehmen immer noch von speziellen Förderprogrammen profitieren – beispielsweise Subventionen für Innovationen oder Mittel für den Bau eigener Gleisanschlüsse.

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