Andreas Gehlhaar
Über ein Jahr russischer Angriffskrieg auf die Ukraine. Verunsicherung auf den weltweiten Energiemärkten mit explodierenden Energiepreisen. Steigende Inflation und Bankenkrise. Viele Bürgerinnen und Bürger, aber auch Unternehmen blicken mit Sorge in die Zukunft. Diese wenigen Beispiele zeigen: Wir sind aktuell mit parallel stattfindenden und sich gegenseitig bedingenden Krisen konfrontiert wie seit vielen Jahren nicht mehr. All diese Krisen betreffen Menschen, Wirtschaft und Umwelt unmittelbar und erfordern kurzfristige Lösungen. Ist es in so einer Situation richtig, sich mit Fragen von Nachhaltigkeit zu beschäftigen?
Die Antwort lautet eindeutig: Ja! Es ist fundamental wichtig. Denn erkennbar sind wir als Wirtschaft und Gesellschaft nur bedingt krisenfest, also nachhaltig, aufgestellt. Das macht uns anfällig für weitere Schocks und negative Beben.
Entschieden und konsequent handeln
Die Auswirkungen des Klimawandels, der globale Ressourcenverbrauch und der millionenfache Verlust an Biodiversität sind nicht verschwunden. Im Gegenteil. Mit jedem Jahr, in dem wir keine Antworten hierauf finden, werden die negativen Konsequenzen größer.
In Deutschland haben wir im Sommer 2021 die möglichen Auswirkungen auf dramatische Weise bereits erfahren. Das Hochwasser gehörte zu den fünf schwersten Naturkatastrophen der vergangenen 50 Jahre in Europa. Das zeigt einmal mehr, dass wir jetzt handeln müssen: sowohl Maßnahmen ergreifen, die schnell wirken, als auch grundlegende Weichen für langfristiges Wachstum stellen.
Klimaneutralität bis 2040
Die internationale Gemeinschaft hat sich in der Agenda 2030 dazu bekannt, gegen die vielfältigen Krisen zu kämpfen. Hierzu hat die UN 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (SDGs) definiert. Zu den SDGs gehören neben Maßnahmen zum Klimaschutz und der Förderung von sauberer Energie auch die Bekämpfung von Armut und Hunger sowie der Schutz des Lebens an Land und im Wasser.
Dabei dürfen wir nicht nur auf „die Politik“ schauen und auf Lösungen warten. Wir als Wirtschaft können wie kaum sonst jemand Impulse für eine nachhaltige Entwicklung, einen gesamthaften Transformationsprozess setzen. Daher haben wir als Deutsche Bahn Nachhaltigkeit als zentralen Purpose in unserer Konzernstrategie verankert und treiben mit der ganzheitlichen Grünen Transformation die nachhaltige Veränderung unseres Unternehmens voran.
In der Nachhaltigkeitsdebatte steht aktuell der Klimaschutz durch Dekarbonisierung im Mittelpunkt. Auch die Deutsche Bahn hat sich der Klimaneutralität bis 2040 verpflichtet, etwa durch den Ausstieg aus dem Diesel und die vollständige Umstellung auf erneuerbare Energien. Aber Themen wie Biodiversität und Kreislaufwirtschaft sind ebenso essenziell.
Biodiversität im Blick
Weltweit sterben täglich rund 130 Tier- und Pflanzenarten aus. Dadurch verändern sich unsere Ökosysteme und die Grundlage für das Leben, das wir kennen. Gleichzeitig trägt Naturschutz auch zum Klimaschutz und zur Begrenzung der Erderwärmung bei.
Nicht zuletzt deshalb nehmen wir auch den Naturschutz bei der Deutschen Bahn sehr ernst und setzen ab diesem Jahr kein Glyphosat mehr ein – auch wenn die EU die Zulassung bis Ende 2023 verlängert hat. Wir haben den Einsatz seit 2020 im Vergleich zu 2018 schon mehr als halbiert.
Als Deutsche Bahn sind wir dafür verantwortlich, rund 33.400 Kilometer Gleis von Bewuchs freizuhalten. Vegetation im Gleisbett kann die Funktionsfähigkeit beeinträchtigen. Eine zuverlässige Vegetationskontrolle ist damit unerlässlich für einen sicheren Bahnbetrieb. Rein mechanisch-manuell ist das in dieser Dimension schlicht nicht zu bewerkstelligen.
In Zukunft setzen wir auf ein nachhaltiges Vegetationsmanagement, das auch den Einsatz von Pelargonsäure vorsieht – ein Wirkstoff natürlichen Ursprungs, der in Deutschland vorbehaltlich der Genehmigung des Eisenbahnbundesamts im Gleisbereich eingesetzt werden kann. Auch hier gilt: So wenig wie möglich und so viel wie nötig. Dabei helfen uns in Zukunft KI und digitale Verfahren, die eine präzise Vegetationskontrolle ermöglichen.
Unternehmen reagieren
Trotz vielfältiger Anstrengung: Der Earth Overshoot Day rückt fast jährlich nach vorne, der Tag, an dem die natürlichen Ressourcen eines Jahres aufgebraucht sind. 2022 war er Ende Juli. Würden alle Menschen so leben wie wir in Deutschland, bräuchte es zwei weitere Erden. Daher ist es wichtig, dass wir eine vollständige Kreislaufwirtschaft verwirklichen.
Viele Unternehmen haben diese Herausforderungen erkannt und bereits Veränderungsprozesse implementiert. So auch wir als Deutsche Bahn: Bis 2040 werden wir eine vollständige Kreislaufwirtschaft etabliert haben. So haben wir damit begonnen, bei unseren Hauptressourcen Stahl, Schotter und Beton zunehmend auf steigende Recyclinganteile zu setzen. Zudem werden wir auch zukünftig unsere hohe Recyclingquote aller Abfälle von mehr als 95 Prozent halten. Insgesamt werden wir als DB mit dem vermehrten Einsatz von Recyclingmaterialien mindestens 300.000 Tonnen CO2 und rund 10 Millionen Tonnen neues Material einsparen.
Fundament für eine nachhaltige Transformation ist ein Miteinander und kein Gegeneinander. Dies gilt sowohl für die Zusammenarbeit zwischen und in den Unternehmen als auch mit Politik, Wissenschaft und Zivilgesellschaft. Wir als Wirtschaft können einen entscheidenden Beitrag zur Begrenzung des Klimawandels, für den Erhalt von Tier- und Pflanzenarten und für eine vollständige Kreislaufwirtschaft leisten. Lasst uns dies gemeinsam anpacken. (fw)
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