KI im Dienste der Logistik

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Juli 25, 2025
Künstliche Intelligenz kann Fahrerassistenzsysteme aufwerten.
© Freepik/omartanveeraam
Artificial intelligence can enhance driver assistance systems.

Dunja Koelwel

Dieser Artikel erschien zuerst in der DVZ – Deutsche Verkehrs-Zeitung
Oft wird über künstliche Intelligenz (KI) nur abstrakt gesprochen: Welche Prozesse könnten sich verbessern lassen? In welchen Bereichen wäre ein Einsatz denkbar? Dabei gibt es mittlerweile genügend Logistiker, die KI produktiv nutzen.

Im Vergleich zu anderen Unternehmen der deutschen Wirtschaft nimmt die Logistikbranche eine Vorreiterrolle in Sachen KI ein. Dies belegen Zahlen des Ifo Instituts vom August 2023: 13,3 Prozent der Logistiker in Deutschland nutzen bereits KI. 9,2 Prozent planen den Einsatz und weitere 36,7 Prozent diskutieren mögliche Einsatzszenarien. Die Ifo-Umfrage deckt sich auch mit der Eigeneinschätzung: Die Mehrheit der Logistikunternehmen (56 Prozent) sieht sich laut Bitkom als Vorreiter bei der Digitalisierung – in der Gesamtwirtschaft sind es im Vergleich dazu nur 32 Prozent. Und in welchen Bereichen setzen die Helden des Transports nun auf KI? Ein Blick in die Unternehmen zeigt: Es gibt jede Menge Live-Szenarien.

Echtzeitinformation im Landverkehr

Bei Kühne + Nagel ist ein zentrales Anwendungsfeld für KI die Echtzeitinformation im Landverkehr: Mit Hilfe KI-gestützter Systeme werden Sendungen überwacht, Abweichungen frühzeitig erkannt und Kunden proaktiv informiert. Konkret stellt sich dies in Form einer cloudbasierten Plattform dar. „Sie ermöglicht es, über ein Dashboard den Standort des Lkw zu verfolgen und automatisierte Statusmeldungen sowie Temperatur- und Standortgrafiken abzurufen“, sagt Tobias Jerschke, Vorsitzender der Geschäftsleitung bei Kühne + Nagel Deutschland.

Die Anwender können Echtzeitwarnungen einrichten, um schnell auf Abweichungen zu reagieren. Durch die Nutzung intelligenter Sensoretiketten wird die Überwachung bis auf Artikelebene ermöglicht. Diese Lösung integriert Daten aus verschiedenen Quellen in einem zentralen Dashboard und verbessert so die Effizienz und Sicherheit der Lieferkette. Die transparente Aufbereitung der Datenbasis ermöglicht es, schneller auf Störungen zu reagieren und Lieferketten resilienter zu gestalten.

Schnellere Buchungen von Frachtsendungen

Lufthansa Cargo verwendet in verschiedenen Geschäftsbereichen KI. Eine eigens entwickelte Softwarelösung ermöglicht schnellere Buchungen von Frachtsendungen und unterstützt Mitarbeitende im Vertrieb. „Dabei werden Buchungsanfragen per E-Mail automatisiert in das Buchungssystem eingepflegt und Kunden erhalten im Anschluss direkt eine vollautomatisch erstellte Buchungsbestätigung“, erklärt Jasmin Kaiser, Head of Information Management & Chief Data Officer bei Lufthansa Cargo.

Mit Hilfe von KI und RPA werden die relevanten Sendungsdaten aus Fließtexten oder anderen Dateiformaten herausgelesen und übertragen. Damit werden pro Woche durchschnittlich 8.000 E-Mails verarbeitet. Das Projekt ist ein Ergebnis der unternehmenseigenen „AI & Automation Community“. Darin beschäftigen sich Experten mit der Evaluierung und Umsetzung potenzieller Automatisierungsprojekten. Allein im vergangenen Jahr sind daraus rund zehn neue Projekte hervorgegangen, die nun im Pilot- oder bereits erfolgreich im Regelbetrieb eingesetzt werden.

Komplettierung von Adressdaten

Bei UPS hilft auf der letzten Meile unser „Address Classification Enrichment System“, das fehlerhafte Adressdaten komplettiert und sie als gewerbliche oder Privatadresse einstuft. Das schafft dynamische Routen, spart täglich Tausende Kilometer und beschleunigte den Ausbau der Samstagszustellung deutlich. Das Unternehmen testet zurzeit zusätzliche Machine-Learning-Modelle, die jede Adresse in Echtzeit samt Geokoordinaten prüfen, sodass jeder Zustellstopp auch bei Tippfehlern gefunden wird. Parallel werden digitale Zwillinge des globalen Netzwerks, ein domänenspezifisches Logistik-LLM (Large Language Model) sowie die NextGen Brokerage-Plattform entwickelt. Letztere validiert Zolldaten mit GenAI vorab, gewichtet Risiken und übermittelt Freigaben automatisch an Behörden. Das Ergebnis sind dem Unternehmen zufolge verlässlichere Zustellfenster, weniger Umwege und geringere CO₂-Emissionen.

Plattform für Wissensmanagement

HGK Shipping arbeitet an einer eigenen KI-Plattform, die nicht nur für Wissensmanagement und Dispositionsassistenz genutzt werden wird, sondern auch Predicitve Maintenance sowie das HR- und Verwaltungsumfeld unterstützt. Das Ziel ist eine lernende Logistik, die über klassischen Transport hinausgeht.

Verfolgung des CO₂-Fußabdrucks

Das Start-up Gryn sieht KI als ein Werkzeug, das eine nachhaltigere Logistik ermöglichen soll. Die Plattform nutzt KI, um Emissionsdaten über Lieferketten hinweg in Echtzeit zu analysieren. Sie hilft Unternehmen, ihren CO₂-Fußabdruck pro Sendung zu verfolgen und Routen und Transportmittel entsprechend zu optimieren. In einer neuen Version sollen Kunden in der Lage sein, mit ihren Daten durch KI-generierte Berichte zu kommunizieren. „Sie können die Daten in verschiedenen Formaten und Diagrammen nutzen, um ihre Lieferketten zu verstehen und zu optimieren“, verspricht Oliver Ritzmann, CEO und Gründer, Gryn. Durch die Umwandlung von Rohdaten in verwertbare Nachhaltigkeits- und Logistikerkenntnisse helfe KI den Partnern bei der Einhaltung von Vorschriften.

Überwachung der Ladungssicherung

Schnellecke Logistics hat verschiedene KI-Lösungen im Einsatz. Am Standort in Wolfsburg-Warmenau sorgt ein KI-gestütztes Kamerasystem für die automatische Überwachung der Ladungssicherung – fehlerhafte Sicherungen werden erkannt und gemeldet, bevor der Lkw den Hof verlässt. Am Standort in Hannover schützen mehrere Kameras durch intelligente Umfeldanalyse Mensch und Maschine: Nähert sich ein Gabelstapler gefährlich einem Mitarbeitenden, bremst er automatisch ab.

Auch international setzt das Unternehmen auf KI. In den USA ermöglicht ein Chatbot die unkomplizierte Krankmeldung – rund um die Uhr, ohne Wartezeiten. Parallel dazu werden Prozesse mit Agentic Automation optimiert: „In Kombination mit KI handeln RPA-Roboter zunehmend eigenständig, treffen Entscheidungen im Kontext, reagieren flexibel auf Veränderungen und arbeiten proaktiv mit Menschen und System zusammen“, Marten Niebuhr, Head of Group Competence Center „RPA“ Schnellecke Logistics.

Echtzeiterfassung des Beladungszustandes von Fahrzeugen

LUIS Technology, ein Anbieter von Fahrerassistenzsystemen, nutzt kamerabasierte Systeme, die in Echtzeit den Beladungszustand von Fahrzeugen erfassen. „So lassen sich freie Ladeflächen besser nutzen, Leerfahrten vermeiden und CO₂-Emissionen reduzieren“, sagt Aileen Sommer, Team Lead Product Management. Im Bereich Sicherheit ließen sich mit KI akute Personenschäden noch effektiver vermeiden.

Zudem lassen sich mit KI potenzielle Gefahrenzonen identifizieren, indem sie kritische Situationen – etwa Personen im Gefahrenbereich – erfassen, analysieren und als Heatmap visualisieren. Ziel ist, Unfälle zu verhindern, bevor sie entstehen.

Die Mehrheit der Logistikunternehmen (56 Prozent) sieht sich als Vorreiter bei der Digitalisierung.
Bitkom

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